Kastrations- und Kennzeichnungspflicht von Freigängerkatzen

Katzen

Antrag der Fraktionen Bündnis 90 / Die Grünen, CDU, Die Linke, FDP, FWI und SPD

Antrag:
Der Rat beschließt die anliegende Änderung der Ordnungsbehördlichen Verordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Stadt Castrop-Rauxel vom 08.07.2019.


Begründung:
Mit Schreiben vom 01.11.2015 beantragten die „Tierfreunde Castrop Rauxel“ in einer Anregung nach §24 GO NRW erstmals die Einführung einer Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für alle Freigängerkatzen im Stadtgebiet von Castrop-Rauxel.
Begründet wurde der Antrag damit, dass durch die verpflichtend vorgeschriebene Kastration vermieden werden soll, dass tausende ungewollte Katzenwelpen in die Welt gesetzt werden, die ein meist sehr leidvolles Schicksal durch Krankheiten, Futtermangel, Vergiftung etc. erleiden.
Die Angelegenheit wurde von Seiten der Verwaltung geprüft. Unter Bezugnahme auf verschiedene juristische Bedenken in Bezug auf die Umsetzung des Begehrens und der Zuständigkeit der Stadtverwaltung folgte der Ausschuss dem Beschlussvorschlag der Verwaltung, dass eine mangelnde Rechtsgrundlage anzunehmen sei und lehnte den Antrag am 03.02.2016 in der Sitzung des Betriebsausschuss 1 ab.
In gleicher Sitzung beschloss der Ausschuss einstimmig einen gemeinsamen Appell der Fraktionen von SPD, CDU, Grünen, FWI und FDP. Der Appell lautete: „Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Castrop- Rauxel werden aufgefordert, freilaufende Hauskatzen kastrieren und kennzeichnen zu lassen.“
Hierzu war insbesondere beabsichtigt, Aufklärungsarbeit für die Bürgerinnen und Bürger über die Sinnhaftigkeit der Katzenkastration zu leisten.
Den Antragstellern ist nicht bekannt, dass seitens der Verwaltung weitere Aufklärungsarbeit geleistet wurde. Allerdings ist festzustellen, dass die tatsächliche Situation sich nicht verbessert, sondern nach Aussage von Experten tendenziell verschlimmert hat.
Nunmehr beantragen die oben genannten Fraktionen gemeinsam, die Verwaltung per Ratsentscheid zu beauftragen, ein Kastrationsgebot für Katzen mit Freigang einzuführen und in die ordnungsbehördliche Verordnung der Stadt Castrop-Rauxel zu integrieren. Als Vorbild soll die bestehende Recklinghäuser Verordnung herangezogen werden.
Die Stadt Castrop-Rauxel hat Ermessen bei der Frage der Einführung und Gestaltung einer ordnungsbehördlichen Verordnungsvorschrift. Allerdings müssen die Voraussetzungen der SS 27 ff. OBG NRW eingehalten werden.
Die rechtliche Zulässigkeit der Einführung einer Kastrations- und Kennzeichnungspflicht wird nach wie vor unterschiedlich beurteilt.
Nach einer Stellungnahme des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW vom 02.05.2011 kann eine zu große Population wildlebender, unkastrierter Katzen unter Umständen eine Gefahr für die Gesundheit des Menschen darstellen. Die Ausscheidungen dieser Katzen können mit Erregern verschiedener Krankheiten infiziert sein, die über die an öffentlichen Plätzen und in privaten Gärten hinterlassenen Ausscheidungen auf den Menschen, aber auch auf freilaufende Hauskatzen übertragen und damit in die Haushalte transportiert werden können. Gefahren können dabei insbesondere für schwangere Frauen und Menschen mit Immundefekten entstehen.
Erkrankte Katzen scheiden im Vergleich zu nicht erkrankten Katzen ein Vielfaches an Krankheitserregern aus. Gesundheitliche Gefahren aus dem direkten Kontakt mit Katzenkot entstehen bei erhöhter Population zusätzlich durch Ausscheidung der Eier verschiedener, auch in klinisch gesunden Katzen vorkommender Spul- und Bandwurmarten. Verwilderte Katzen nähern sich bei hohem Populationsdruck und damit vermindertem Futterangebot immer mehr gerade den menschlichen Aufenthaltsplätzen wie Erholungsflächen, Schulhöfen und Spielplätzen, da hier mit erreichbarem Aufkommen von Lebensmittelabfällen zu rechnen ist (Stellungnahme des Kreises Paderborn, Herrn Dr. Ralf Lang).
Auch wird eine erhöhte Katzenpopulation vom Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) für die Reduzierung des Bestandes bestimmter Singvogelarten verantwortlich gemacht. Daneben weist u.a. das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW ebenfalls darauf hin, dass das Jagdverhalten wildlebender Katzen zu einer Dezimierung freilebender, teilweise bestandsbedrohter Tierarten führen kann.
Insofern wird eine (abstrakte) Gefahr für das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit mit obiger Argumentation bejaht. Die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V. nimmt in einer Begutachtung aus dem Monat Februar 2011 unabhängig hiervon eine Gefahr für das Schutzgut der öffentlichen Ordnung an (abrufbar unter www.digt.de).
Für das Stadtgebiet von Castrop-Rauxel ist eine statistische Datenquelle bezüglich der Katzenpopulation und ihrer Entwicklung nicht vorhanden. Jedoch ergeben sich objektive Hinweise auf einen Anstieg der Anzahl freigehender sowie wilder Katzen aus den glaubhaften Schilderungen der Tierschutzorganisationen (siehe Anlagen) sowie auch aus einer Einschätzung des Veterinäramtes des Kreises Recklinghausen (Dr. Gerwert).
Die Kastration von Freigängerkatzen im Rahmen der vorgesehenen ordnungsbehördlichen Bestimmung ist vor diesem Hintergrund aktuell geeignet, erforderlich und angemessen, um den geschilderten Gefahren wirksam zu begegnen. Mildere Mittel sind — wie die Erfahrung gezeigt hat — nicht erfolgversprechend.
Die Vorschrift soll zudem neben ihrer normativen Kraft eine wertbegründende und bewusstseinsbildende Funktion haben. Katzenhalter, die derzeit ihrer Katze die Möglichkeit geben, sich zu vermehren, sollen ihre Verantwortung wahrnehmen.
Betroffen von der Kastrationspflicht sind nur Halter, die ihre Katze in das Freie lassen (d.h. unbeaufsichtigt außerhalb der Wohnung bzw. außerhalb des Gartens aufhalten lassen), sowie Futterstationen.

Zu der Regelung im Einzelnen soll Folgendes erläutert werden:
• Die Kastration ist der Sterilisation vorzuziehen, da die Tiere im Falle der Sterilisation aufgrund des weiter bestehenden Fortpflanzungstriebes vermehrt leiden würden.
• Die Maßnahme betrifft sowohl Katzen als auch Kater, da nach Auskunft des Veterinäramtes des Kreises Recklinghausen die Problematik aufgrund des Vorhandenseins zahlreicher wilder Katzen nur durch Erfassung beider Geschlechter bis auf Weiteres effektiv zu bekämpfen ist.
• Die jeweilige Halterin bzw. der jeweilige Halter ist (Zustands-)Störer im Sinne des Ordnungsrechts.
• Die Kennzeichnung soll mit einem Mikrochip erfolgen, da diese Methode zeitgemäß und für das jeweilige Tier am wenigsten schmerzhaft ist. Eine Tätowierung würde nicht nur schmerzhafter sein, sondern bleicht mit der Zeit häufig aus bzw. wächst sich aus.
• Der Mikrochip wird mit einer individuellen Nummer programmiert, zu welcher einzelne Informationen – hier vor allem die Information bzgl. der durchgeführten Kastration – in einer Datenbank zu hinterlegen sind. Eine kostenlose Registrierung ermöglichen z.B. der Deutsche Tierschutzbund e.V. sowie das Haustierzentralregister des TASSO e.V.. Der Aufbau einer
regionalen behördlichen Datenbank wäre aufgrund des damit verbundenen Aufwandes und vor allem auch aufgrund des nur regional begrenzten Zugriffs nicht sinnvoll. O.g. Organisationen sind bundesweit tätig und tauschen den Datenbestand nach Aussage einer Expertin des
Veterinäramtes des Kreises Herford untereinander aus.
• Die Kastrationspflicht beginnt erst für Katzen, die älter als 5 Monate sind, da erst ab diesem Zeitpunkt die Geschlechtsreife eintritt.
• Die Verpflichtung soll auch auf Personen ausgedehnt werden, welche freilaufende bzw. wilde Katzen regelmäßig füttern, da diese im Sinne einer Verhaltensstörereigenschaft die oben beschriebene Gefahr mit verursachen und zudem häufig Zugriff auf die in Betracht kommenden Tiere haben.
• Auf Antrag können Ausnahmen für Züchter, aber auch für sonstige besondere Einzelfälle durch die örtliche Ordnungsbehörde genehmigt werden. Mögliche Antragsteller sind gehalten, unverzüglich nach Inkrafttreten der Verordnungsbestimmung ihr berechtigtes Interesse darzustellen und das entsprechende Verwaltungsverfahren in Gang zu setzen.
• Die Kosten der Kastration trägt die Tierhalterin bzw. der Tierhalter als ordnungsrechtlich Verpflichtete/r.
• Die Verpflichtung zur Kastration und Kennzeichnung sowie Registrierung setzt mit Inkrafttreten der Verordnung unmittelbar ein. Um eine gewisse Übergangszeit bis zum Greifbarwerden von Nachteilen zu schaffen und den Tierhaltern für den Bedarfsfall die Gelegenheit zu geben, etwa Rücklagen für die Erfüllung der Verpflichtung zu schaffen, wird aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit der Beginn der Ahndung mittels Bußgeldverfahrens auf die Zeit nach dem 01.01.2021 verschoben.