In seiner Sondersitzung am 05.07.2012 hat der Rat der Stadt Castrop-Rauxel die Gründung zweier Sekundarschulen auf den Weg gebracht. Dieser Beschluss macht den Auftakt zu einer Neuordnung der Schullandschaft in unserer Stadt. Nötig wurde diese Neuordnung, weil durch ständig sinkende Schülerzahlen der Bestand von 4 weiterführenden Schulen in Castrop-Rauxel nicht mehr gesichert ist.
Warum die Gründung je einer Sekundarschule im Norden bzw. im Süden der Stadt für die Grünen der richtige Weg ist erläuterte in der Ratssitzung Ulrich Werkle.
Redebeitrag Ratssitzung 5. Juli 2012:
TOP: ,,Einrichtung von zwei Sekundarschulen“
Wir brauchen für die Zukunft im Norden wie im Süden unserer Stadt „eine Schule für alle Kinder“, also eine Schule, die Kinder mit Hauptschulempfehlung genauso gut fördert, wie Kinder mit Realschul- oder mit Gymnasialempfehlung. Dafür ist die Sekundarschule der bessere Schultyp.
– Wir haben hier gemeinsames Lernen mindestens in den Klassen 5 und 6:
Also die Fortsetzung der integrativen Arbeit der Grundschulen
– Wir haben den gebundenen Ganztag: Die Umsetzung von Fördermaßnahmen gelingt hier wesentlich umfassender und besser als in einem offenen Ganztag.
– Bei allem Bemühen um individuelle Förderung: Die Realschule muss sich an ihren gesetzlich vorgeschriebenen Standards orientieren. Dazu gehört z.B. die Versetzungsordnung: Also Abschulung bei nicht ausreichendem Leistungsstand mit all den nachteiligen Folgen für die betroffenen Kinder. Das gibt es bei der Sekundarschule nicht.
– Dazu die Schüler-Lehrer-Relation: Eine Lehrerstelle auf gut 16 Schüler in der Sekundarschule im Gegensatz zur Realschule mit einer Lehrerstelle auf rund 21 Schüler.
– Dann die Unterrichtsverpflichtung der Lehrerinnen und Lehrer mit 25,5 Std./Woche in der Sekundarschule statt der 28,5 in der Realschule, was enorme QuaIitätssteigerungen ermöglicht.
Es spricht also vieles für die Sekundarschule. Und die Sekundarschule hat auch ausreichend Rückhalt sowohl in der Elternschaft als auch in der Lehrerschaft.
Fast die Hälfte der Eltern, für die Sekundarschule als Angebot gedacht ist, akzeptiert die Sekundarschule. Mit 192 Kindern geht die Nachfrage weit über das erforderliche Minimum hinaus.
Vier von fünf betroffenen Schulleitungen und Lehrer-Kollegien haben sich für die Sekundarschule ausgesprochen. Auch das FNR-Kollegium – die fünfte Schule – war dafür. Gerade Herr Horn hat sich z.B. im Gespräch mit unserer Fraktion sehr überzeugend für die Sekundarschule eingesetzt.
Deshalb glaube ich: Es geht in der aktuellen Auseinandersetzung gar nicht so sehr um die Sekundarschule. wenn es möglich wäre, die FNR mit ihren Lehrerlnnen und Schülerlnnen in eine Sekundarschule umzuwandeln, dann hätten wir den aktuellen Streit gar nicht, sondern alle wären für die Sekundarschule. Das Konzept, dass sich die FNR selbst gegeben hat, zeigt doch, dass sie sich in eine Sekundarschule umwandeln wollte. Und das war ja auch die Absicht, als Rektor Horn und sein Kollegium sich vor einem halben Jahr ganz klar für eine Sekundarschule ausgesprochen haben.
Das Problem ist, dass die Errichtung einer Sekundarschule technisch nur über einen Strukturwandel möglich ist: nämlich durch das Auslaufen von Schulen auf der einen Seite – nämlich der FNR, JKG, Franz-Hillebrandt-Hauptschule – und durch das Anlaufen der Sekundarschule auf der anderen Seite. so ein Strukturwandel bringt Unruhe, Unsicherheit und Angste mit sich.
– Er führt dazu, dass die an der FNR vorhandenen Schülerlnnen an der FNR bleiben und nur neu eingeschulte Kinder in die Sekundarschule kommen.
– Er führt dazu, dass für eine gewisse Zeit zwei Schulen sich ein Gebäude teilen müssen.
– Und er erfordert z.B. auch, dass Lehrerlnnen aus den sogenannten Quellschulen wie etwa der FNR sich neu bewerben müssen, wenn sie an der neuen Sekundarschule arbeiten wollen.
Die Unruhe, die Unsicherheit, die Angst, die der zu erwartende Strukturwandel mit sich bringt, das ist der Kern der aktuellen Auseinandersetzung. Und wenn dann diese Unsicherheit noch durch Fehlinformationen vergrößert wird – etwa dass die FNR-Schülerlnnen sich eine neue Schule suchen müssen -, dann schlagen die Wogen hoch. Das ist ja auch ganz verständlich.
Aber sollen wir wirklich auf die unbestreitbaren Vorteile der Sekundarschule verzichten, nur weil sie mit einem Strukturwandel verbunden ist, der Unruhe und Unsicherheit hervorruft?
Ich meine, es gibt einen anderen Weg: Wir müssen die Vorteile der Sekundarschule für unsere Kinder nutzen und wir müssen gleichzeitig die Unruhe und Unsicherheit, die der Umbruch mit sich bringt, so klein halten wie möglich. wir brauchen einen sanften Übergang von der Realschule zur Sekundarschule. Wie soll das gehen?
1. Alle Kinder, die an einer auslaufenden Schule eingeschult sind, machen an dieser Schule ihren Abschluss mit der gleichen hochwertigen Förderung wie bisher. Und den FNR-Kindern kann man sogar zusichern, dass sie auch bis zum Schluss in ihrem Gebäude bleiben.
2. Die Sekundarschule ist kein Phantom, keine Katze, die man im Sack kauft. Zum einen gibt es Sekundarschulen, die man besuchen kann. Vor allem aber sollen unsere neuen Sekundarschulen – bevor die Eltern die Kinder anmelden – ein pädagogisches Konzept haben, das die Identifikation mit der neuen Schule erleichtert: Dieses Konzept soll von den Lehrern, Eltern und Schülern der Quellschulen mit ausgearbeitet werden. Es soll die Stärken der beteiligten Schulen integrieren. Und bereits im Vorfeld der formellen Beschlüsse zur Errichtung der Sekundarschulen im Herbst müssen mit den Betroffenen Gespräche über die Grundausrichtung der neuen Sekundarschulen geführt werden. Vielleicht führt ja die vollintegrative Ausrichtung einer Sekundarschule zu einer höheren
Akzeptanz.
3. Eltern, Lehrer und Schüler brauchen einen kompetenten und fairen Ansprechpartner, wenn der Umwandlungsprozess von der Realschule zur Sekundarschule zu Konflikten führt. Auch ein solches Beschwerde- und Konfliktmanagement muss früh eingerichtet werden. Es darf nicht aus dem Rathaus aufoktroyiert werden. Es muss mit den betroffenen
Schulen gemeinsam entwickelt werden.
4. Wir müssen gegenüber dem Land darauf drängen, dass für unsere neuen Sekundarschulen vorrangig Lehrer aus den Quellschulen eingestellt werden. Personelle Kontinuität ist gerade in Zeiten des Umbruchs wichtig für unsere Kinder.
Wir wollen die Vorteile, die die Sekundarschule unzweifelhaft hat, für unsere Kinder nutzen und wir wollen gleichzeitig den notwendigen Umstrukturierungsprozess so sanft wie möglich gestalten. Ich bin überzeugt davon, dass das geht, wenn alle ihre Schützengräben verlassen.
Dass gerade Herr Horn und sein Kollegium sich vor einem halben Jahr mit überzeugenden Argumenten für die Sekundarschule ausgesprochen haben, beweist doch, dass die Sekundarschule als Schulform gut ist. Das Problem ist ausschließlich der Übergang. Und den können wir zusammen meistern, wenn wir nur wollen.
Bündnis 90 / Die Grünen
Ulrich Werkle